Ursprung und Entstehung von Wangen

Der Name Wangen geht auf die Kelten zurück, die ab dem 7. Jh. in die Schweiz kamen, und bedeutet Abhang, Berghalde oder Wange bei einem Gletscher. Somit haben Lage und Landschaft dem Ort den Namen gegeben. Schriftliche Dokumente erwähnen Wangen an der Aare erstmals im 12. Jh.

Von den Zähringern gegründet

Im 12. Jh.  errangen die Zähringer im heutigen Südwestdeutschland und in der heutigen Schweiz eine bedeutende Machtstellung, ohne jedoch ein zusammenhängendes oder fundiertes Herzogtum im Sinne eines einheitlichen Herrschaftsgebiets formen zu können. Sie gründeten Klöster, Dörfer und Städte, wie Bern, Burgdorf, Murten, Rheinfelden, Thun und eben auch Wangen an der Aare. Dabei wählten die Zähringer die Standorte nach politischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus. Einheitliches Recht, zentrale Verwaltung sowie grösstmögliche Freiheit für die Bürger der Städte kennzeichneten den Herrschaftsbereich der Zähringer.

Von den Kyburgern geerbt

Die Grafen von Kyburg waren ein Schweizer Adelsgeschlecht, das dem reichsunmittelbaren Hochadel zuzurechnen ist und dessen Herrschaftsschwerpunkte in der heutigen Nord- und Ostschweiz lagen. Im 12. und 13. Jh. gründeten die Grafen von Kyburg in ihrem Machtbereich die Städte Winterthur, Frauenfeld, Diessenhofen, Zug, Baden, Aarau, Lenzburg, Mellingen, Sursee, Weesen, Laupen, Kyburg, Richensee und Huttwil. Durch das Aussterben der Herzöge von Zähringen 1218 ergab sich eine weitere Gelegenheit für die Kyburger, ihren Besitz zu erweitern, da Anna von Zähringen, die Schwester des letzten Zähringers, Berchtold V., die Ehefrau Ulrichs III. von Kyburg († 1227) war. In den Erbstreitigkeiten mit anderen Adelsgeschlechtern, die mit den Zähringern verwandt waren, konnte Ulrich III. verschiedene linksrheinische Besitzungen der Zähringer in der heutigen Schweiz, wie u.a. auch Thun und Burgdorf, in seine Macht bringen. In dieser Zeit wurde auch Wangen an der Aare Eigentum der Kyburger. Ihnen war vor allem die Sicherung des Aareübergangs wichtig.

Und den Bernern zugeschlagen

Bern wurde nach dem Aussterben der Zähringer, laut der Goldenen Handfeste 1218, freie Reichsstadt. Aufgrund der Handfeste besass Bern das Recht auf eigene Münzen, Masse und Gewichte und auf eine eigene Gerichtsbarkeit. König Rudolf I. von Habsburg bestätigte 1274 Berns Reichsfreiheit, legte der Stadt aber eine Reichssteuer auf, zu der nach der Niederlage an der Schosshalde 1289 noch eine Busse hinzukam. Als Schutz gegen die Grafen von Kyburg, die die Zähringer beerbt hatten, wählte Bern die Schirmherrschaft Savoyens. Mit dem Sieg gegen die durch Kauf an Habsburg gelangte Stadt Freiburg, 1298, setzte Berns Territorialpolitik ein. 1407 gelangte Wangen an der Aare in bernische Hände, da die Grafen von Kyburg überschuldet waren. Die Berner übernahmen deren Schulden und bauten das Städtli zum Bollwerk gegen die mächtigen Habsburger aus. Im 15. Jh. begann Bern seine Ländereien umzuformen und seine Herrschaft zu festigen. Zur Durchsetzung der städtischen Herrschaft brauchte es unter anderem eine funktionierende Verwaltung auf dem Land. Es errichtete deshalb auf seinem Gebiet sogenannte «Vogteien» und «Ämter».

Unter den letzten Kyburgern war Wangen an der Aare baulich heruntergekommen. Das Städtli war aber Grafenresidenz, daher machte Bern die Stadtburg 1408 zum Zentrum einer Vogteiverwaltung und setzte den Zimmermeister Heinrich Gruber-Zimmermann als ersten Landvogt ein. Er hatte den Auftrag, Wangen an der Aare neu zu befestigen und eine neue Brücke zu erstellen. Im Gegenzug sollte Gruber den grössten Anteil der Wanger Einkünfte beziehen dürfen. Im Unterschied zu anderen Vogteiverwaltungen beruhte jene von Wangen an der Aare nicht auf Grundherrschaften. Deshalb verfügte sie nicht über regelmässige, jährliche Einkünfte, sondern das Einkommen setzte sich im Wesentlichen aus Sporteln des Richteramtes, Zöllen und Geleiten zusammen. Dies mag ein Grund sein, weshalb sich die Vögte von Wangen an der Aare so stark für die Erhaltung ihrer Gerichtskompetenz und Herrschaftsrechte sowie die Stellung in Bern als Oberherrschaft einsetzten. Die Vögte waren Schlüsselstellen zwischen Stadt und Landbevölkerung. Sie übten gerichtliche, fiskalische und militärisch-polizeiliche Funktionen aus. Diese Fülle von Aufgaben musste aber mit einem äusserst minimalen Beamtenapparat wahrgenommen werden, so dass einerseits die Macht der Landesherrschaft in Bern in den Händen von Schulthess und Rat konzentriert war, andererseits der ländlichen Selbstverwaltung, besonders der Gemeindeverwaltung, grosse Bedeutung zukam.

Wangen erhält das Stadtrecht

Der Freiheitsbrief von 1501 verlieh Wangen an der Aare das Stadtrecht und gab Auskunft über Verwaltung und Ordnung im Gemeinwesen. In 23 Artikeln sind Bestimmungen über Burgermeister, Rat, Burgerstube, Pflichten des Vogts, Feuerverhütung, Pflege der Häuser, Gewerbe- und Marktvorschriften, Weide und Viehhaltung sowie die Freistätte im Probsteihof festgehalten.

In den nächsten Jahrzehnten florierte Wangen an der Aare. Es war militärischer Stützpunkt, Lager- und Handelszentrum. Auf der Aare wurden viele wichtige Güter transportiert. Das Salzhaus wurde 1664 als Salzlager der bernischen Regierung errichtet. Der Patrizier und Landvogt Beat Ludwig Fischer verlieh dem Schloss während seiner Amtszeit um 1680 sein prunkvolles Aussehen. Doch mit dem Ende der Aareschifffahrt erlebte das Städtchen eine schwere wirtschaftliche Krise.

Burgerschaft im Wandel der Zeit

Die Wurzeln der Burgergemeinden gehen bis ins Mittelalter zurück, doch ihre heutige Form erhielten sie im 19. Jahrhundert. Bis zum Ende der alten Republik Bern stellte die Burgerschaft den vollberechtigten Teil der Bevölkerung dar und genoss Freiheiten, die das Stadtrecht garantierte. Nur Burger konnten in Behörden berufen werden. Ursprünglich war das Burgerrecht persönlich, seit dem 16. Jahrhundert ist es erblich. Regiert und verwaltet wurde Wangen an der Aare somit von den aus der Wanger Burgerschaft gewählten Burgerräten und einem von Bern eingesetzten Vogt. Die Französische Revolution brachte 1798 die Volkssouveränität und die Rechtsgleichheit für alle Ortsbürger. Erst mit der Kantonsverfassung von 1831, die dem Kanton den demokratischen Volksstaat liberaler Prägung bescherte, entstand das System der getrennten Einwohner- und Burgergemeinden, wie wir es heute kennen. Mit der Neuorganisation des Gemeindewesens im Gemeindegesetz von 1833 schlug die eigentliche Geburtsstunde der modernen Burgergemeinde. Die politischen Angelegenheiten wurden den Einwohnergemeinden (der Gesamtheit der Einwohner, inklusive der Burger) übertragen, während die Burgergemeinden für die Verwaltung ihrer Gemeinde- und Armengüter zur Unterstützung ihrer Bedürftigen zuständig waren. Problematisch war die Aufteilung des Gemeindevermögens, das bisher ausschliesslich bei den Burgern lag.

Ausscheidungsvertrag von 1857

Der Kanton Bern erhielt 1852 ein neues Gemeindegesetz, welches unter anderem Klarheit über die Gemeindegüter schaffen und allen Auseinandersetzungen darüber ein Ende bereiten sollte. Die Verhandlung über die Ausscheidungen wurden den Gemeinden überlassen; die ausgehandelten Verträge mussten jedoch vom Staat genehmigt werden. Mit dem Ausscheidungsvertrag von 1857 zwischen der Burgergemeinde und der Einwohnergemeinde Wangen an der Aare wurde die Trennung der damaligen gemeinsamen Güter endgültig geregelt. So verblieben der Burgergemeinde zur Erfüllung ihrer Aufgaben Nutzungsgüter wie Land, Wald, Liegenschaften, Geld für Waisen und Spenden.

In der Folge wurde die Existenz der Burgergemeinden in den Kantonsverfassungen von 1893 und 1993 garantiert und bestätigt.

Burgerfamilien

Die Burgergemeinde Wangen an der Aare setzt sich aus ca. 100 Angehörigen der 21 Burgerfamilien zusammen. Burger oder Burgerin ist man durch Abstammung oder Eheschliessung. Da die Frauen das Burgerrecht nicht weiter geben können, müssen deren Gatten und die gemeinsamen Kinder durch eine Einburgerung in die Gemeinschaft aufgenommen werden. Die Geschichte der ältesten Burgerfamilie geht bis ins Jahr 1480 zurück.

Die heutigen Burgerfamilien:

  • 1480 Strasser
  • 16 Jh. Klaus
  • 16 Jh. Pfister
  • 1620 Tanner
  • 1622 Anderegg
  • 1625 Rikli
  • 1631 Schmitz
  • 1634 Schorer
  • 1638 Roth
  • 1676 Vogel
  • 1854 Baumann
  • 1859 Obrecht
  • 1877 Schweizer
  • 1949 Howald
  • 1978 Wagner
  • 2010 Flury
  • 2010 Heutschi
  • 2010 Känzig
  • 2010 Schatzmann
  • 2010 Wagner
  • 2011 Misteli

Herausragende Persönlichkeiten

Arnold Rikli (1823-1906), genannt der «Sonnendoktor», Naturheiler und Begründer der «Atmosphärischen Kur», bei der Licht- und Luftbäder eine wesentliche Rolle spielen. Er verstarb in Sankt Thomas, Kärnten, Österreich-Ungarn.

Helene Roth (1887-1966), Malerin und Grafikerin, Schülerin von Cuno Amiet, machte sich für die Frauen stark. Nach einem Aufenthalt in Paris und München war sie in Wangen an der Aare zuhause.

Alfred Roth (1903-1998), Prof. Dr. ETH, Architekt, Maler und Designer, Mitarbeiter im Pariser Atelier von Le Corbusier und Pierre Jeanneret, weltweite Tätigkeit. Sein eigenes Büro- und Wohnhaus befand sich im Doldertal in Zürich.

Namhafte Unternehmen

roviva Roth & Cie AG Matratzen und Bettenfabrik, Schlafqualität seit 1748: ältestes unabhängiges Familienindustrieunternehmen der Schweiz, in der 9. Generation. Roviva steht für Kontinuität, Innovationsgeist, Schweizer Wertarbeit und Vertrauen (roviva.ch).